01.09.2017 • Security, Videosicherheit, Videoüberwachung

Zipstream-Technology

Komprimieren ohne Kompromisse

Die Ansprüche an Videoüberwachung sind gelegentlich von Widersprüchen gekennzeichnet: Der immer größere Wunsch nach höherer Qualität, Auf-lösung und steigende Anzahl der Kameras steht dem gleichzeitigen Bedarf nach niedrigen Kosten für die Datenspeicherung gegenüber. Axis Communi-cations, der Marktführer für Netzwerk-Video, reagiert darauf mit einer kontinuierlichen Weiterentwicklung seiner eigenen Zipstream-Video-Komprimierungstechnologie.

Im März 2015 präsentierte Axis Communications der Branche die neue und einzigartige Zipstream-Technologie. Seitdem hat sich viel getan. Das schwedische Unternehmen entwickelte seine Komprimierungstechnologie weiter – mit Unterstützung für PTZ-Kameras und dynamischen Bildraten. Seit neuestem ist sie auch für die neuen 360° Fisheye-Kameras sowie Modelle mit 4K-Auflösung verfügbar. Viele Hersteller sind inzwischen auf den Marketing-Zug der intelligenten Videokompression aufgesprungen. Ein genauer Blick auf die dabei gemachten Versprechungen lohnt sich, denn nach wie vor dominieren sehr einfache Kompressionsmethoden die Grundeinstellungen in den Kameras und die vermeintliche „Intelligenz“ berücksichtigt nur die Bitrate und nicht die forensische Qualität.

Überwachungskameras dokumentieren die Realität

Und die Realität ist sehr komplex, insbesondere wenn man die 24/7-Ansprüche der Videoüberwachung zu Grunde legt. So ist es beispielsweise nicht vorhersehbar, wie komplex eine Szene werden kann: Wachsende Vegetation, aber auch die wechselnde Dekoration im Einzelhandel können die Szenenkomplexität deutlich verändern. Kaum ein Einzelhändler fragt sich beim Aussuchen der Weihnachtsdekoration inwieweit diese den Speicherbedarf der Videoüberwachung beeinflussen kann. Und kein Architekt passt die Bepflanzung eines Vorplatzes dem Sichtfeld der Kameras an. Geringe Komplexität der Szene resultiert in eine geringe Bitrate und niedrige Anforderung an den Speicherplatz. Hohe Komplexität entsprechend erzeugt größere Datenmengen und erfordert mehr Speicherkapazität.

Würde sich die Szene niemals verändern, könnte man die Kamera einmal richtig einstellen und die Kompression so konfigurieren, dass sie optimale Ergebnisse für die definierten Anforderungen erzielt. Nur leider ist das nicht realistisch. Daher sind Technologien erforderlich, die dynamisch sind und ohne wiederkehrenden Konfigurationsaufwand auskommen.

Intelligente Videokompression falsch verstanden

Der Ansatz von Axis Zipstream ist es, das Bild zu jedem Zeitpunkt vollständig und dynamisch zu analysieren und irrelevante Bildinhalte stärker zu komprimieren. Das hört sich simpel an, ist in der Realität allerdings sehr komplex. Wichtig ist hier, wirklich nur dann zu mehr zu komprimieren, wenn keine Kompromisse gemacht werden müssen. So wird die Bandbreite nicht unnötigerweise strapaziert.

Das Wort „unnötigerweise“ ist hierbei sehr inhaltsschwer: In wenig komplexen Szenen kann man die Bitrate sehr weit herunterdrücken, bei Anwen-dung aller Zipstream-Funktionen kann sie in solchen Momenten sogar gegen Null gehen. Das andere Extrem ist eine sehr komplexe Szene, wie bspw. ein Treppenaufgang im Bahnhof oder ein Eingang im Einkaufszentrum. Hier sind plötzliche alle Inhalte von Belang und die Kompression wird bewusst defensiv eingesetzt. Mit dem Ergebnis einer hohen Bitrate, die der Szenenkomplexität entspricht.

Wirft man hingegen einen Blick auf die allgemeinen Branchenentwicklungen, dann verwundert es nicht, dass viele Video-Forensiker sich auch in Zeiten hochauflösender und moderner Netzwerk-Kameras immer noch verzweifelt mehr Details wünschen. Denn bereits eine mittlere Szenen-komplexität stellt die meisten Hersteller vor eine große Herausforderung, da sie immer noch mit sehr niedrigen Bitratenlimitationen (MBR oder CBR) arbeiten und die vermeintlich „intelligente“ Videokompression sich auf ein Marketingversprechen reduziert.

Was ist eigentlich Videokompression?

Das Thema lässt sich akademisch beliebig ausbreiten, etwas einfacher formuliert lässt sich folgendes sagen:

▪ Videokompression ist nicht verlustfrei, einmal komprimiert sind die unkomprimierten Ursprungsinformationen nicht wiederherstellbar. Ganz im Gegensatz zur verlustfreien Datenkompression – so lässt sich ja eine gezippte Worddatei beispielsweise wieder verlustfrei decodieren.

▪ Komprimierung ist nur dann möglich, wenn es Ähnlichkeiten gibt. Je geringer z.B. die Übereinstimmung eines Frames mit seinem Vorgänger ist, desto weniger kann bei Bandbreite und Speicherplatz eingespart werden.

▪ H.264 und H.265 enthalten Methoden, mit denen die Bitrate fast beliebig manipuliert werden kann. Diese Methoden sind nicht explizit auf das Bewahren von Bildinformationen ausgerichtet, sondern dienen primär zur Reduzierung der Bitrate.

▪ Bitratenbegrenzungen wie die maximale Bitrate (MBR) oder auch die konstante Bitrate (CBR) sind Instrumente, die in der Videoüberwachung sehr oft ohne Sinn und Verstand per Default von Seiten der Hersteller eingesetzt werden.

▪ Besonders kritisch sind niedrige Limits, die dann in der Realität zu deutlich reduzierter Bildqualität führen. Das gilt vor allem, wenn die Szene stark bewegt ist und die Limits sehr niedrig definiert sind.

„H.264 und H.265 sind nicht für die Videoüberwachung geeignet…“

Viele Leser werden solch ein Statement oder ein ähnliches mit Sicherheit bereits gehört haben. Je proprietärer der Ansatz eines Unternehmens ist, desto mehr versucht es gegen Industriestandards zu argumentieren.

Die oben gemachte Aussage ist zwar falsch – sie enthält aber einen wahren Kern.

H.264 und H.265 sind beides Sammlungen von Methoden, mit denen Videomaterial bearbeitet – sprich komprimiert – werden kann. Je höher der Anspruch an die Bildqualität ist, desto vorsichtiger sollten diese Methoden eingesetzt werden und je größer der Wunsch nach Reduzierung des Datenvolumens ist, desto optimistischer kann vorgegangen werden.

Im Broadcasting-Bereich geht es weniger um den forensischen Ansatz. Dank dem Einsatz von Unmengen an Licht sowie idealen Kamerapositionen sind die Details schon grundsätzlich auf sehr hohem Niveau. Die Darsteller sind im Regelfall im Abspann genannt und die gezeigten Verbrechen sind sowieso alle gestellt.

Was die Kompression betrifft, so haben die Broadcaster noch einen weiteren elementaren Vorteil: Kompression muss nicht in Echtzeit erfolgen. Gefilmt wird nahezu unkomprimiert und für jeden Anwendungsfall wird später das Material auf performanten Servern entsprechend komprimiert, mehrere Durchläufe (sog. multi-pass Encoding) erzielen optimale Ergebnisse. Für die Blu-Ray Disk steht die Qualität im Vordergrund, entsprechend umfangreich sind die Datenmengen. Für die diversen Streaming-Anbieter sieht es schon ganz anders aus. Hier müssen im Bereich Qualität einige Abstriche gemacht werden. Die Bilddetails sinken, was der Handlung kaum einen Abbruch tut. Ist der Film in hoher Qualität spannend, wird er dies auch mit weniger Details sein.

In der Videoüberwachung muss in Echtzeit komprimiert werden und zwar direkt in der Kamera. Gegenüber der Broadcasting-Welt hat dies zwei Nachteile: Zum einen ist eine Kamera nicht so performant wie ein Server und zum anderen gibt es nur einen Versuch (sog. single-pass Encoding) zu komprimieren.

Die begrenzte Performance einer Kamera erlaubt es nicht, alle theoretisch verfügbaren Methoden zu nutzen. Wählt ein Kamerahersteller die Kombination der Möglichkeiten im Rahmen von H.264 und H.265 nicht sorgsam genug aus, dann sind schnell die Bitrate und die Bildqualität auf niedrigem Niveau. Ersteres ist wünschenswert, letzteres eine der Hauptursachen für die Beschwerden der Video-Forensiker und Grund für die oben gemachte Aussage.

Zipstream: Erst analysieren – dann komprimieren

Die Zipstream-Technologie analysiert das Bild vor der Komprimierung. Der Encoder in der Kamera wird mit diesen Informationen gefüttert und kann auf dieser Basis entscheiden, wo mehr und wo weniger komprimiert werden darf.

Der Ansatz orientiert sich einzig an den Anforderungen der wirklichen „Konsumenten“ der Videodaten: den Video-Forensikern. Relevante Details werden geschont und irrelevante Bildinhalte stärker komprimiert. Das Ergebnis kann sich in mehrfacher Sicht sehen lassen. Die Bildqualität leidet nicht und die möglichen Einsparungen sind immens. Der Forensiker erhält optimales Bildmaterial.

Begrenzung der Bitrate nicht per Default

Ein weiterer Faktor, den es zu beachten gilt, sind die Default-Einstellungen. Die Bitraten in Axis-Kameras sind per Default nicht nach oben hin begrenzt. Auch dies hat einen Grund: Wird in Echtzeit streamt, lässt sich pauschal nicht vorhersagen, wie sich die Szenenkomplexität gestalten wird, also beispielsweise wann es wo zu einer Bewegung kommen wird.

Eine HDTV 1080p@25fps Kamera kommt in einer wenig bewegten Szene mit 1-2 Mbit/s aus, vielleicht sogar noch weniger. In einer komplexen Szene können es schnell mehr als 15 Mbit/s werden.

Die meisten Facherrichter sind in den Feinheiten der Videokompression nicht bewandert und verlassen sich auf den Hersteller. Sie verändern die Defaultwerte in der Regel nicht. Wird die Bitrate also bei einem niedrigen Wert per Default begrenzt, so entwickelt sich die Bildqualität in einer komplexen Szene zum Glückspiel – ein wenig erstrebenswerter Zustand.

Axis Zipstreamale & maxim Bitrate

Die Zipstream-Technologie kann natürlich auch durch Bitratenbegrenzungen ergänzt werden. Dies muss allerdings gut durchdacht und im konkreten Fall wirklich sinnvoll sein. Soll z.B. in der Verkehrsüberwachung die 1080p@25fps Kamera auf 500 Kbit/s begrenzt werden, so ist dies natürlich möglich. Für die Übersicht stellt dies auch kein Problem dar. Details etwa auf Nummernschildern zu erkennen, könnte allerdings schwierig werden.

Gilt es niedrige Bitraten zu erzielen, sollte man diverse andere Parameter wie Auflösung, Bildwiederholrate, Farbwerte etc. ebenfalls mit einbeziehen und so ein auf jeden individuellen Anwendungsfall optimiertes Ergebnis erreichen.

Grundsätzlich gilt, dass ohne Prüfung der jeweiligen Szene keine Bitrate fundiert prognostiziert werden kann. Auf Basis von Erfahrungswerten können Anwender diverse Näherungen vornehmen. Absolute Gewissheit zeigt nur die langfristige Beobachtung. Das bedeutet in der Praxis: Annahmen sind absolut okay und notwendig, Anwender sollten allerdings von Zeit zu Zeit die Annahmen mit der Realität vergleichen und ggf. Anpassungen vornehmen.

Warum arbeitet der Markt mit niedrigen Bitraten?

Hier kann man nur spekulieren. Ein Grund ist sicherlich ein falsches Grundverständnis und der Wunsch nach soliden Planungsgrundlagen. Wird die Bitrate auf einen bestimmten Wert begrenzt, erzeugt die Kamera niemals mehr als diese Bitrate. Schon ist eine gute Planungsgrundlage gegeben und der Anwender hat niemals ein Speicherproblem. Die Bildqualität wird dann aber zum Spielball des Bitraten-Controllers in der Kamera. Ein Umstand, der für eine Webcam in Ordnung sein mag, für eine Sicherheitskamera aber vollkommen falsch ist.

Oftmals geht die niedrige Begrenzung auch mit sehr geringen Streaming-Kapazitäten einher. Je weniger eine Kamera maximal streamen kann, desto günstiger kann man im Regelfall die Hardware produzieren, denn dann lassen sich Prozessor- und Speicherkapazität deutlich reduzieren. Dabei spart ein Endkunde natürlich auch Geld, geht allerdings das Risiko ein, im Ernstfall eine vollkommen wertlose Investition getätigt zu haben.

Fazit

Videokompression ist ein komplexes Thema, zu komplex für die meisten Anbieter, Errichter und Fachplaner. Bitratenbegrenzungen sind ein Hauptgrund für schlechte Bildqualität und sollten auf niedrigem Niveau niemals per Default aktiviert werden.

Die verfügbaren „intelligenten“ Kompressionsmethoden sind glücklicherweise meistens nicht per Default aktiv.

Einsparungen von Bitraten sollten immer anhand der verbliebenen Bildqualität geprüft werden. Andernfalls kann der Anwender eine böse Überraschung erleben.

Autor

Timo Sachse, Product Analyst EMEA, Axis Communications

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