Die Europäische Norm zur Berechnung von verschraubten Flanschverbindungen ist ein solide aufgebautes Normenwerk, doch hat sich leider in der neuesten Ausgabe von 2009 unter Beachtung der Addenda 1 eine Reihe von Schreibfehlern eingeschlichen. Darüber hinaus sind einige der seit der Ausgabe von 2001 bekannten Mängel nicht abgestellt worden. Sie betreffen u. a. auch die Überprüfung der erforderlichen Flanschdicke im "Anhang A" und das Flussdiagramm im "Anhang F".
Diese Norm enthält – wie gesagt – einige unberichtigte Fehler der vorigen Ausgabe sowie leider auch neue Druckfehler und eben systematische Fehler.
1. Zunächst sollen die Druckfehler kurz aufgeführt werden, damit die Anwender diese vermeiden können:
– In Gleichung (17) muss es in der Klammer bF x dE statt bF x -dE heißen.
– In Gleichung (19) muss auf der linken Seite γ statt λ stehen.
– Gleichung (36) muss lauten AGt = π x dGt x bGt und nicht AGe = π x dGt x bGt.
– In Gleichung (45) muss es heißen ∆UI = lB x αBI u. s. w. Auch in der Anmerkung ist auf der rechten Seite das falsche eB durch ein richtiges lB zu ersetzen. Ein Formelzeichen eB gibt es nicht. Bei den Formelzeichen des Abschnitts 3.3 ist in der Zeile für lB, ls außer dem Hinweis auf die Gleichung (34) auch ein Hinweis auf die Gleichung (45) anzubringen.
– In Gleichung (71) muss der Bruch unter der Wurzel geändert werden. (siehe Bild Formeländerung)
– In Gleichung (80) muss es vor der geschweiften Klammer sign{ und nicht sin{ heißen.
– In Tabelle 2 muss es in der fünften Zeile der zweiten Spalte heißen ψmin < ψopt ≤ ψ0 und nicht ψmin < ψ0 ≤ ψ0.
2. Die angesprochenen systematischen Unzulänglichkeiten betreffen sowohl die 1591-1:2009 als auch die Norm der Dichtungskennwerte DIN EN 1591-2:2008-9 (im Folgenden kurz 1591-2:2008 genannt). Beginnen wir mit Letzterer.
2.1 Im vierten Absatz der 1591-2:2008 ist angeschrieben, Zitat: "Dieses Dokument ersetzt DIN V ENV 1591-2:2001." Es scheint dabei niemandem aufgefallen zu sein, dass damit nur noch Dichtungskennwerte für Flachdichtungen aus Weichstoffen oder Metall/Weichstoffen nach Bild 3a genormt sind.
Allen Flanschverbindungen mit Metalldichtungen – und das sind sämtliche in 1591-1:2009 dargestellten Querschnitte nach Bild 3a bis 3f – sind damit die Berechnungsgrundlagen entzogen. Es sind somit alle Flanschverbindungen im Bereich Hochdruck und/oder Hochtemperatur mit Linsendichtungen, Ring-Joint-Dichtungen oder anderen Profildichtungen aus massiven Metallen betroffen.
2.1.1 Eine systematische Schwachstelle ist in 1591-1:2009 im Abschnitt "1.3.1c Geometrie" und insbesondere im "Anhang A" festzustellen. Danach wird die mindestens erforderliche Flanschblattdicke eF für besonders hohe Schraubenkräfte bzw. Dichtungskräfte größer oder gleich Null. Diese triviale Aussage tritt bei einem zulässigen Auslastungsgrad Ф = 1 auf. Dann nämlich wird der Ausdruck unter der Wurzel gleich Null, also eF ≥ 0. Das Ergebnis für die Abschätzung der Flanschblattdicke bei etwas kleineren Auslastungsgraden kann deshalb nur mit größter Skepsis betrachtet werden.
2.1.2 Ein weiterer systematischer Mangel in diesem Fall äußert sich auch darin, dass die Lage des Dichtdurchmessers keine Beachtung findet. Die befürchtete "ungleichmäßige Dichtungspressung" wird wesentlich beeinflusst von der Anordnung der Dichtung mehr zum Innendurchmesser hin oder mehr zum Lochkreisdurchmesser hin. Dichtungen, die nahe am Innendurchmesser angeordnet sind, werden gleichmäßiger gepresst als solche mit größerem Dichtdurchmesser und näher am Lochkreis, da die angeschlossene Schale versteifend wirkt und die Ebenheit erhalten will.
2.2 In 1591-1:2009 ist ein weiterer systematischer Fehler in Gleichung (49) zu verzeichnen. Es wurde für die Mindest-Dichtungskraft FG0min = AGe x QA angeschrieben, obgleich im Entwurf DIN EN 1591-12001/prA1:2005 richtig FG0min = AGe x Qmin(L) notiert war. Dies ist auch in Übereinstimmung mit der DIN EN 13555:2005; denn als Dichtungskennwert Qmin(L) wird die "erforderliche Mindest-Flächenpressung für Dichtheitsklasse L bei Montage" bezeichnet.
QA dagegen ist die Flächenpressung, die sich bei der Montage mit einer beliebigen Kraft erst ergibt, und demnach kein Dichtungskennwert sein kann. QA hängt auch von den sich ergebenden geometrischen Größen ab, so dass z. B. eine Verdoppelung der Schraubenkraft nicht unbedingt zu einer Verdoppelung von QA führt, da sich der effektive Dichtdurchmesser und die effektive Dichtbreite verändern.
Weil QA beliebig ist, wird Gleichung (49) in der Form FG0min = AGe x QA sinnlos. Die Mindest-Dichtungskraft FG0min kann hierbei beliebig groß werden. Es muss also wieder wie im Entwurf DIN EN 1591-12001/prA1:2005 heißen: FG0min = AGe x Qmin(L). Damit ist die mindestens erforderliche Flächenpressung gemeint, mit der die Forderung der Leckageklasse erreicht werden kann – allerdings ist in diesem Fall auch QA = Qmin(L) = QSmin(L). Der tabellierte Wert Qmin(L) ist somit der Startwert für die iterative Findung des geeigneten Wertes QA.
3. Das Flussdiagramm für die Berechnungsmethode im "Anhang F" ist für eine Berechnung nach EN 1591-1:2009 unbrauchbar, weil vergessen wurde, die Schritte zu erwähnen, die erforderlich sind, um eine Berechnung für Flanschverbindungen mit Flachdichtungen entsprechend 1591-2:2008 und Dichtungskennwerten nach DIN EN 13555 durchzuführen.
Das soll im Folgenden an dem hier vorgestellten Flussdiagram nach Bild 1 erläutert werden.
Anmerkung: Aus Gründen der Übersichtlichkeit wurde in der hier gewählten Darstellung die Iteration, die zur effektiven Dichtungsbreite und zum effektiven Dichtdurchmesser führt, als bekannt vorausgesetzt und nicht separat eingezeichnet.
3.1 Zur Berechnung einer verschraubten Flanschverbindung sind wie im "Anhang F" die Parameter der Flanschen, Schrauben gegeben. Allerdings wurden hier die Werte der Reibungskoeffizienten für Gewinde und Mutterauflage beachtet wie auch das vorgegebene Schraubenanziehverfahren mit seinen speziellen Streuwerten erwähnt.
3.2 Bei der Dichtung zeigen sich die großen Mängel des Flussdiagramms im "Anhang F". Hier hat man schlicht den Einfluss der Dichtungskennwerte nach 1591-2:2008 vergessen.
Nach dem Bild 1 vorgeschlagenen Ablauf wird aus FG0min (mit zunächst geschätzten E-Moduli EG0 und EGI der Dichtung) eine Montagepressung QA ermittelt. Aus dieser Montagepressung QA und der verbliebenen Dichtungspressung im Betriebszustand QSmin(L) sind dann neue, korrigierte Werte der E-Moduli EG0 und EGI der Dichtung einzutragen, was wiederum zu einer neuen Montagepressung QA führt, und so fort. Hier ist also – neben der Iteration, die zu dGe und bGe führt – eine weitere Iteration erforderlich. Sie wird bei einigen Dichtungsarten dadurch erschwert, dass sich die Werte für die E-Moduli nicht stetig verhalten, sondern zum Teil willkürlich springen.
3.3 Bei den Schrauben fehlt im Flussdiagramm im "Anhang F" auch die Überprüfung auf eine erforderliche Auslastung über mindestens 30 %.
3.4 Ein weiterer systematischer Fehler, der sich von Anfang an in diesem Regelwerk be-findet ist in Gleichung (72c) versteckt. Dort wird der Auslastungsgrad mit der theoretischen Dichtungsfläche AGt = π x dGt x bGt ermittelt. Der Auslastungsgrad muss aber richtig mit der effektiven Dichtungsfläche als ФG = FG/(AGe x Qmax) ≤ 1 gebildet werden. Eine Betrachtung für eine Ring-Joint-Dichtung mag das verdeutlichen: Würde Gleichung (72c) so gelten wie angeschrieben, dann dürfte zum Beispiel eine Ring-Joint-Dichtung oder eine Linsendichtung über den gesamten "theoretisch" zur Verfügung stehenden Querschnitt plastifiziert werden und das wäre – wie so manches in der Norm – nicht in Übereinstimmung mit dem Vorwort, wonach behauptet wird: "Die Berechnungsmethode erfüllt sowohl die Kriterien der Dichtheit als auch der Festigkeit."
3.5 Und hier sei auf noch einen systematischen Fehler hingewiesen, der sich von Anfang an eingeschlichen hat. Er betrifft den Auslastungsgrad bei Blindflanschen nach Gleichung (85), wo es folgendermaßen lautet: (siehe Bild zu Punkt 3.5 <1>)
Wenn das Maximum gesucht wird, macht es wenig Sinn alternativ die obere Zeile des Ausdrucks in drei zu untersuchende Bröckchen – also insgesamt in vier Terme – zu zerlegen, wie in Gleichung (85) ausgeführt. Richtig muss es in drei Termen heißen: (siehe Bild zu Punkt 3.5 <2>)
4. Das Ingenieurbüro TMT hat 2003 eine Software entwickelt und seither stets weiterentwickelt, die die oben besprochenen Schwierigkeiten berücksichtigt und die angeführten Fehler vermeidet.
Außerdem wurden u. a. Modifikationen der Programme eingeführt, die auch unterschiedliche Werkstoffe oder Temperaturen für Flansch und Schale berücksichtigen können, was streng nach DIN EN 1591-1:2009-10 nicht möglich ist.
Die Programme wurden erfolgreich bei Firmen der chemischen und petrochemischen Industrie sowie bei Firmen des Rohrleitungs- und Apparatebaus eingesetzt. Die erfolgreich bearbeiteten Aufgaben umfassten Drücke im Bereich mehrerer tausend bar, Temperaturen über 600°C und Durchmesser über 4 m – und natürlich auch kleinere Bereiche.
Gern stelle ich Ihnen die Leistungsfähigkeit vor. Nennen Sie mir Ihre Probleme.